Donnerstag, 19. April 2012

"Die toten Frauen von Juárez" Rezi

"Die toten Frauen von Juárez" wurde geschrieben von Sam Hawken und ist erschienen im Tropen-Verlag (Klett-Cotta). Dieses Buch wurde mir von bilandia.de bereitgestellt, jedoch bemerkte ich nach den ersten Seiten dass es definitiv nichts für mich ist. Also bat ich meinen Vater, es zu lesen und zu rezensieren:

Cover (c) by Klett-Cotta-Verlag (Tropen)
Ciudad Juárez, Mexiko, an der Grenze zu Texas. Zahlreiche Frauen verschwinden. Einheimische sagen, es seien mindestens 5000. Nur etwa 400 von ihnen wurden bislang gefunden - vergewaltigt und getötet. Sam Hawken verbindet die wahre Geschichte um die toten Frauen mit der Story von Kelly Courter, einem gescheiterten Boxer, der alles daransetzt, die Wahrheit herauszufinden ...   
Viele, die etwas auf dem Kerbholz haben, flüchten nach Ciudad Juárez: auch Kelly Courter, Boxer aus den Vereinigten Staaten. Sein Geld verdient er mit fragwürdigen Boxkämpfen oder dem Verkauf von Drogen. Estéban, der Bruder seiner Freundin Paloma, versorgt ihn regelmäßig mit Stoff. Bald greift er selbst zur Nadel, driftet ab in die Welt des Rausches und bemerkt nicht einmal, dass Paloma spurlos verschwindet. Als kurz darauf ihre misshandelte Leiche gefunden wird, trifft ihn die harte Realität wie ein Schlag. Er wird verhaftet, gedemütigt und für ein Geständnis halb totgeprügelt. Erst als Rafael Sevilla, ein befreundeter mexikanischer Polizist, sich des Falls annimmt, kommt Licht in das dunkle Geheimnis der Frauenmorde von Ciudad Juárez.

 
Um es kurz zu machen – für mich war das Lesen des Buches eine einzige Enttäuschung.
Eine angeblich wahre Geschichte um Frauen, die an der Grenze zwischen den USA und Mexiko verschwinden, soll gemäß Klappentext „als Rahmen für die Story von Kelly Courter, einem gescheiterten Boxer, der alles daransetzt, die Wahrheit herauszufinden“ dienen. Nichts davon ist der Fall.
Die Geschichte der verschwundenen Frauen wird in dem Buch überhaupt nicht angemessen beleuchtet und dargestellt. Es bleibt vollkommen unklar, was genau dort passiert, ob wirklich alle verschwundenen Frauen sterben. Es gibt vage Vermutungen in alle Richtungen: Drogenszene (natürlich, ist ja Mexiko ...), illegale Hunde-, Hahnen- und Faustkämpfe (wie die aussehen wird auch nur angedeutet), und – na klar – Prostitution, Kauf armer Frauen durch reiche Männer. Warum das alles an der Armutsgrenze USA-Mexiko geschieht, scheint keiner weiteren Betrachtung wert. Die Grenze spielt in den Schilderungen des Lebens in Juarez nur insofern eine Rolle, als US-amerikanische Touristen sie überqueren um sich in Mexiko billig mit Alkohol, Drogen und Frauen zu amüsieren.
Kelly ist einst über diese Grenze vor dem Gesetz geflohen. In den USA hat er im Suff einen Jungen totgefahren, kommt wohl mit seiner Schuld nicht zurecht, leidet unter dem Rassismus der Mexikaner, die ihn als weißen Boxer nicht ernst nehmen. Deshalb muss er als Prügelknabe in abgesprochenen Kämpfen antreten – und der Autor kann sich schon mal mit der Schilderung der Details der Boxkämpfe „ohne Regeln“ für die Darstellung der Folterszenen im zweiten Teil des Buches warmlaufen.
Kelly liebt Paloma – so muss man es wohl verstehen. Ganz klar wird das nicht, zumindest nicht aus den Schilderungen der Beziehung der beiden, einschließlich der sexuellen Aktivitäten (zwischen Kelly und Paloma, aber auch Kellys mit anderen Frauen), die über die Erotik simpelst gestrickter schlechter Pornofilmchen nicht hinweg kommen. Aber als Paloma verschwindet macht sich die Lusche auf den Weg, sie zu suchen – er hat auch ein schlechtes Gewissen, weil er sich zur Zeit ihres Verschwindens für ein paar Tage im Drogenrausch und anschließendem kalten Entzug (so ist das tatsächlich beschrieben!)  befand. Er befragt auch tatsächlich den Bruder und eine Kollegin Palomas, wozu er sich – huch – in eine der Favelas von Juarez  begeben muss. Das war’s dann aber auch schon mit seinem Beitrag zur Wahrheitsfindung in Sachen verschwundene/ tote Frauen von Juarez. Da die Polizei ihn und den Bruder Palomas wegen Drogenhandels mitnimmt und foltert, wohl um an Hintermänner des Geschäfts zu gelangen (ob das ein vorgeschobener Vorwand ist bleibt ebenfalls völlig unklar, eine Beziehung zum Verschwinden von Paloma ist jedoch nicht nachvollziehbar) bleibt er für den Rest der Geschichte abwechselnd in Gefängnis- und Folterzellen (zum Schluss im Krankenhaus – ob er überlebt?). Dieses Arrangement bietet dem Autor nun Gelegenheiten, völlig sinnfrei von Folterorgien in einem mexikanischen Gefängnis zu schreiben. Der Bezug zu irgendeiner der im Buch angerissenen Problembereiche wie Drogenhandel, Frauenhandel, illegale Tier- und Menschenkämpfe und insbesondere zu den verschwundenen Frauen bleibt verborgen.
Die Wahrheitsfindung zu letzterem Sachverhalt wird fortgesetzt von einem älteren Beamten der Drogenbehörde. Warum der das macht ist nur zu verstehen, wenn man in Betracht zieht, dass er frustriert ist, nichts zu verlieren hat und irgendwie Kelly mag. Oder aber auch nicht. Ist egal.
Er jedenfalls sucht weiter. Man kommt aber nicht dahinter, was genau er sucht, es sollte aber, da er ja Drogenfahnder ist, etwas mit Drogen zu tun haben – oder auch nicht. Durch völlig abstruse Maskerade-Einsätze und unglaubliche Zufälle kommt er einem Ring von reichen Leuten auf die Spur, die an einem (an mehreren?) Orten der Stadt Orgien veranstalten, auf denen illegale Faustkämpfe (auf Leben und Tod, so wird es angedeutet) stattfinden und Frauen zur Prostitution gezwungen (und anschließend umgebracht?) werden. Ob das der Hintergrund für das Verschwinden der mindestens 5000 Frauen ist? Wird nicht gesagt. Kann das sein: ein einzelner krimineller Ring, lokal auf eine Stadt begrenzt? Was sind die strukturellen Rahmenbedingungen, die das möglich machen – in welchem Umfang auch immer? Warum in Juarez? Spielt doch die Grenze eine Rolle, somit auch die US-Touristen? Wird nicht einmal angedeutet, dem Leser stellen sich aber genau diese Fragen.
Nicht einmal die Interessenlagen der einzelnen Akteure wird ausgeleuchtet. Deshalb ist es schwer bis unmöglich, deren Motivationen und Beweggründe für das geschilderte Handeln zu verstehen oder nachvollziehen zu können.
Das Buch lege ich ratlos, etwas angewidert beiseite und niemandem ans Herz.

-- keine Kleeblattbewertung, da dies eine Gastrezension ist --

5 Kommentare:

  1. Na dass nenn ich eine Rezi!

    Du solltest deinen Vater öfter rezensieren lassen, er ist grandios!

    Mir wurde das Buch auch angeboten, aber da ich schon einige schlechte Meinungen gehört habe, habe auch ich es abgelehnt, worüber ich nun wirklich froh bin!

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  2. Ich kann der Paralauscher nur zustimmen.
    Abgesehen von dem, dass mir das Buch nicht angeboten worden ist ^^
    Liebe Grüße
    Christine

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  3. :D Zum Glück hab ich es nicht genommen, als mich Bilandia gefragt hatte!!!!!!!!!! Geile Rezi xDDDDDD

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  4. Ja da war ich begeistert!!! Es ist hammerrrrrrrr.... ich rolle immer das r im echten Leben. Ich kann gar nicht ohne es zu rollen.

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  5. Hört sich schrecklich an.
    Dein letzter Satz endet ein bisschen seltsam oder ist das Absicht? :D
    Du hast die Mail noch nicht abgeschickt oder, also zum Gewinnspiel? ;)

    LG <3
    Lydia

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